Sehr geehrte Damen und Herren,
Bisher fand ich Ihre Berichterstattung zum Fall Armstrong durchaus ausgeglichen, muss mich aber wundern, warum der Spiegel größtenteils in die gleiche selbst auferlegte Form der Omertá verfällt, wie fast alle Medien.
Zwar wurden die Details der "reasoned decision" der USADA durchaus beleuchtet, aber noch immer wird die Komplizenschaft der UCI im System Armstrong bestenfalls vage in einem Nebensatz angedeutet.
Nirgendwo wird analysiert, daß die UCI sowohl Promoter, als auch regulierende Instanz im Radsport ist, d.h. jeder Erfolg der UCI im Kampf gegen Doping ist automatisch ein herber Rückschlag für die UCI als Promoter. Warum wird ein solcher fundamentaler Interessenkonflikt verschwiegen oder nicht zumindestens ausreichend beleuchtet.
Warum werden Armstrongs Verflechtungen, Verbindungen und Seilschaften ausserhalb des Radsports nicht untersucht. Dinge, wie sein Erpressungsversuch gegen Barack Obama im Wahlkampf vor dessen erster Amtsperiode (nachzulesen in Selina Roberts "The Influence Peddler",
http://reader.roopstigo.com/view/roopster/story/595#/chapter/1/) gar nicht erst erwähnt.
Wieso tauchen Namen, wie Paul Kimmage oder Travis Tygart in der Berichterstattung des Spiegel nicht auf. Es ist ja nicht so, daß bisher ALLE vor Armstrong den Schwanz eingekniffen haben. Die Methoden des Herrn A., vor allem im Umgang mit seinen Gegnern, zeichnet mitnichten das Bild eines skrupellosen Betrügers, sondern offenbart einen Psychopathen, der vor den Augen aller Welt und unter Komplizenschaft des Weltverbandes eine Mafiaorganisation aufgebaut und betrieben hat, in der Betrug, Erpressung, Bestechung zum Tagesgeschäft gehörten.
Und die Medien haben zu all dem geschwiegen. Wenn der unbedarfte Radsportfanatiker seit Jahren wußte, das da was faul ist im Staate Dänemark, wie offensichtlich musste es für Journalisten sein, die dem Radsport nahestehen?
Notorische Betrüger, wie das Team Telekom, Sportidole, wie Jan Ullrich, Erik Zabel und andere haben den Radsport in Deutschland schon vor Jahren in den Ruin getrieben. Mittlerweile ist es so, daß die meisten Teilnehmer in deutschsprachigen Radsport-Foren Schweizer und Österreicher sind und wenn man sich als Deutscher zu seiner Radsportbegeisterung bekennt, dann wird man angesehen als würde man sich als liebstes Hobby and Schafen und Kindern vergehen (selbst wenn man kein katholischer Priester ist).
Jetzt ist der Punkt erreicht, wo der Radsport entweder auf die Stufe der World Wrestling Federation abgleitet oder die Sportwelt sich den Radsport aus den Händen der notorischen Betrüger zurückerobert.
Ausgerechnet also, wenn man eine gnadenlos nachfragende und unnachgiebige Presse braucht, herrscht betretenes Schweigen im Blätterwald, wie die unglaubliche Farce der gestrigen UCI Pressekonferenz beweist, in der ein gleichgeschaltetes Medien-Ensemble stillschweigend zuhört, wie Pat McQuaid eine ziemlich überzeugende Imitation des legendären Irakischen Informationsministers aufführt und der Sportwelt Märchen vom Pferd zum besten gibt.
In diesem Sinne möchte ich den Spiegel respektvoll darum bitten, in dieser Sache etwas tiefer zu graben und einen offensiveren Standpunkt einzunehmen, denn der Fragen gibt esviele und Antworten hat es keine. Wo sind denn all unsere "geläuterten" Doping-Stars. Hat mal jemand versucht ein Statement von Jörg Jaksche zu bekommen? Wer schaut eigentlich den letzten verbliebenen deutschen Mohikanern im Starterfeld auf die Finger und warum stellt keiner im BDR mal den Wecker, damit Scharping mal aus dem Bett fällt. Der Gutste hat ja schon immer Valium als Aufputschmittel verwendet, aber so verschwiegen kann man angesichts der katastrophalen Lage des Radsports ja nun nicht sein.
Ich verbleibe in der Hoffnung, daß der Spiegel sich in dieser Sache vielleicht etwas offensiver von den eher tatenlosen deutschen Medien abheben kann, denn wenn der Kampf gegen Korruption in der UCI Bloggern und machtlosen Forums-Teilnehmer überlassen bleibt, wird Radsport wohl bald den gleichen Status geniessen, wie Freiluft-Onanieren oder Synchron-Exhibitionismus.
mit freundlichen Grüßen,
[name]